Eine kleine "Sommerloch-Lektüre"...

 
...welche nicht belehrend sein soll, aber den Einen oder Anderen vielleicht zum Nachdenken bewegt.
 
 
Gedanken eines Schiedsrichters (aus dem Jahre 1992) Verfasser leider unbekannt.
 
 
Ein ganz normales Fußballspiel.
 
Der Umkleideraum riecht muffelig, eine leere Flasche Dusch-Lotion steht einsam auf der Fensterbank. Schiedsrichter-Kabinen sind immer nasskalt und spartanisch eingerichtet. Ein alter Holztisch, ein knarrender Stuhl, das muss genügen. Im Abfluss stecken noch die Haare meines Vorgängers; auf den Steinfliesen liegt der getrocknete Dreck von abgeklopften Fußballschuhen; und ich dachte ohne mich würde es nicht gehen.
 
Plötzlich fühle ich mich wieder so merkwürdig allein. Drüben, bei den Spielern, werden gerade ein paar unanständige Scherze gemacht. Jetzt beneide ich die Mannschaften nur. Wo die sich umziehen, duftet es wenigstens nach Franzbranntwein, nach Allgäuer Latschenkiefer oder Sauerländer Lavendelöl.
 
 
Passkontrolle, meine Herren! Wie auf ein Zeichen verstummt das Gespräch der Männer. Alle sind höflich, ein paar mustern mich misstrauisch. Kennen die mich etwa noch vom letzten Mal? Meine Güte, ich will Euch doch nichts Böses tun, bin doch zu eurem Schutz da. Der Trainer meint es gar so hilfsbereit, dass er mir wie einem Schüler die Namen vorliest. Warum endet die Freundschaftlichkeit gegenüber dem Schiedsrichter stets beim Anpfiff?
 
 
Ich mache mir Mut. Immerhin hab` ich erst diese Woche meinen Squash Partner bezwungen, gegen den ich eigentlich ständig verliere, bin also fit. Beim letzten Regeltest habe ich nur zweieinhalb Fehler gemacht, einen, indem ich nicht wusste, wie` s weitergeht, wenn der Ball am Pfosten anfriert, weil` s so kalt ist. Das passiert heute bestimmt nicht ( ich müsste eine halbe Stunde warten, ob der Ball von selbst herunterfällt, sonst würde abgebrochen! ). Ein Schiedsrichter, der Angst hat, ist ein schlechter Schiedsrichter. Ich habe keine.
 
 
Obwohl es mir völlig egal ist, wo die Mannschaften stehen , erkundige ich mich beiläufig während ich einlaufen lasse. Ein Spieler meint, das würde selten gemacht. Bei mir schon. Nummer drei! Ich glaube, das ist einer dieser notorischen Meckerer, werd` ihn mir gleich vormerken müssen. Von draußen schreit ein Glatzkopf, meine Haare seien zu lang. Ich mustere ihn kurz, aber verächtlich. Drei Meter neben dem Alten steht ein rostiges Schild: " Wer den Schiedsrichter beleidigt, muss mit Verweis vom Sportplatz rechnen!" Aha.
 
 
Die erste Viertelstunde gehört dem Schiedsrichter, bekommen wir beim Lehrabend immer gesagt. Da müsse der Unparteiische zeigen, wer " Herr im Hause " ist. Vielleicht ist mir der Beweis schon vorher gelungen, denn nichts ist passiert. Plötzlich streiten zwei Spieler ( Nummer drei ist natürlich dabei ) wie kleine Kinder beim Einwurf um den Ball. Ehrlich gesagt hab` ich gar nicht gesehen, wer ihn raus gekickt hat. Beide bekommen " Gelb ", ich halte das für salomonisch. Aber wer bekommt das Leder? Hat jemals ein falsch gegebener Einwurf eine Partie entschieden?
 
 
Die Heimmannschaft, die gewinnen muss, weil sie gegen den Abstieg kämpft, geht schnell mit 2 : 0 in Führung, ist zufrieden. Und die anderen können an jedem rummeckern, nur an mir nicht. Das 1 : 0 war ein Torwartfehler. Weitschuss aus 35 Metern, muss er halten. Beim 2 : 0 haben alle gepennt. Gut für mich, so läuft die Sache.
 
 
Halbzeit. Ich bekomme nichts zu trinken. Statt dessen erspähe ich rein zufällig einen Schiedsrichter- Beobachter. Was blättert der so aufgeregt in seinem Notizblock? Ob ich mich nachher wohl mehr in seiner Nähe aufhalte? Mein Vorhaben wird durchkreuzt, als die Gäste am anderen Ende des Platzes das 1 : 2 schießen. Jetzt wird` s bestimmt hektisch. Wenn sie gewinnen, können sie nämlich weiter an der Spitze mitmischen.
 
 
Ich behalte recht; drei gelbe Karten, zwei Zeitstrafen. Tut mir leid, aber es muss sein.
 
Die 83. Minute. Ich erlaube mir eine kurze Verschnaufpause und werde dafür alles andere als belohnt. Ein Gästestürmer kommt im Strafraum zu Fall. Was passiert ist, kann ich bestenfalls erahnen. Elfer oder nicht, das ist hier die Frage. Hmm, könnte ein Foul gewesen sein. Der Stürmer läuft an, der Torwart hält. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Aber hat sich der Keeper nicht zu früh bewegt?
 
 
Beim vorletzten Mal war` s ähnlich dumm. Da hatte ich dann auf Wiederholung des Strafstoßes entschieden und am nächsten Tag in der Heimatzeitung gelesen, dass der Schiedsrichter der schlechteste Mann auf de Platz gewesen sei. Ein zweites Mal lass ich mir kein mangelndes Fingerspitzengefühl nachsagen.
 
 
Es bleibt beim 2 : 1. " Ohne besondere Vorkommnisse ", schreibe ich später in den Spielberichtsbogen. Na ja, dreimal wurde ich ans Telefon gerufen, zweimal mit einer " schwarzen Sau " verwechselt und fünfmal in der Pfeife geraucht. Ein ganz normales Spiel. Bloß als ich wegfahren will, begegnet mir der Glatzkopf vom Anfang noch mal. " Ich hab` noch nie einen so schlechten Schiedsrichter gesehen ",schimpft er hinter mir her. Sein Vorsitzender entschuldigt sich - der sage das bei jedem Spiel. Irgendwie verstehe ich ihn, den Mann. Wofür hat er denn sonst sein Eintrittsgeld bezahlt?
 

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